1. Dezember 2021

Waldwipfelweg im Bayerischen Wald

2007 begannen im bayerischen Sankt Englmar, nahe der tschechischen Grenze, die Bauarbeiten für das Projekt „Waldwipfelweg“. Martin Six, der Betreiber der niederbayerischen Familienattraktion, hatte das Areal ursprünglich geerbt und überlegte, was er aus den Ländereien machen könnte. Er kam bald auf die Idee, die naturnahe und baumreiche Umgebung zu einem Waldwipfelweg auszubauen, der 2008 seine Eröffnung feierte. „Durch seine Südhanglage ist das Grundstück dafür bestens geeignet“, sagt Martin Six. „Bei guter Sicht hat man sogar einen freien Blick auf die Zugspitze, die ca. 220 Kilometer Luftlinie entfernt liegt“.

Der Pfad führt die Besucher:innen auf einer Höhe von 30 Metern ca. 600 Meter über und durch die Baumkronen hindurch und bietet dabei einen tollen Ausblick über die Höhenzüge des Bayerischen Waldes, das Donautal und die Ebenen des Gäubodens. Auf dem ca. 2 Kilometer langen Naturerlebnispfad, der durch den Wald führt, können Familien an unterschiedlichen Mitmachstationen die Natur neu erleben und Interessantes über ihre Umgebung und die Wahrnehmung erfahren. Außerdem kann man Alpakas, Lamas, Schwarznasenschafe und Kängurus auf dem Gelände des Waldwipfelwegs bestaunen, was besonders die Kleinen erfreut.

Im Jahr 2014 kam Martin Six die Idee zu einem Waldturm. Der Standort für den 52 Meter hohen Turm wurde während der Planung insgesamt vier Mal verschoben. Entgegen der Anfangsidee, einen Turm mit Aufzug und Drehrestaurant zu erbauen, wurde dieser letztendlich durch einen Turm mit einem barrierefrei gewendelten Steg (Breite 2,5 Meter, maximale Steigung 6 %) ersetzt und sollte die Form eines Kugelbaums haben. So entstand ein Turm, dessen „Stamm“ durch einen riesigen Betonmast dargestellt wird. Die Stahlkonstruktion umfasst knapp 300 Tonnen Stahl und 140 m³ Lärchenholz. Über einen 400 Meter langen Holzweg, der sich wie eine Art Wendeltreppe um den Mast schlängelt, erreicht man die Aussichtsplattform. Im Laufe der Planung entschied sich Six, den Turm für Kinder attraktiver zu gestalten und einen Spielplatz der besonderen Art zu integrieren.

Für den Wunsch eines alternativen Aufstiegs tat sich Six mit der Berliner Seilfabrik zusammen. Verschiedene Spielelemente wie Tunnel und Brücken verbinden sechs Ebenen und somit ca. 23 Meter Höhe bis zur Aussichtsplattform spielerisch. Elimar Quednau, Projektkonstrukteur der Berliner Seilfabrik, erinnert sich: „Die ersten Entwürfe des Turms standen fest und so haben wir in enger Abstimmung mit dem Stahlbauer fünf Netzelemente entworfen, die die Kletternden von Ebene zu Ebene bringen.“ Vom Start der „Baumkrone“ führt ein vertikaler Netzaufstieg mit versetzt angeordneten HDPE-Platten zur zweiten Ebene und somit auf die erste von zwei Zwischenplattformen. Ein schräger Netzaufstieg bringt die Besucher:innen von dort zu einem bogenförmigen Aufstieg mit innenliegenden versetzen Netzen, der außen, in einer Höhe von ca. 40 Metern, am Turm entlangführt.

Hat man den Bogen durchquert, landet man auf der zweiten Zwischenebene. Hier befindet sich eines der Highlights des Waldturms: der zehn Meter hohe DNA Tower mit einem dreidimensionalen Kletternetz, der mit seinen Pfosten fast aus dem Turm hinausragt. Quednau verriet: „Die Idee, einen DNA Tower im Turm zu platzieren, entstand erst zu einem etwas späteren Zeitpunkt der Planung. Hier war, wie bei den anderen Spielelementen auch, eine enge planerische Zusammenarbeit mit dem Turmbauer nötig. Um den Einbau des DNA Towers zu ermöglichen, mussten zusätzliche statische Berechnungen unternommen und weitere Stahlträger unterhalb der zweiten Zwischenplattform eingebaut werden.“

Auf einem Dschungelbrückenseil in einem 11,5 Meter langen Netztunnel balanciert man in 6 Metern Höhe quer durch den Waldturm. Ein zweiter bogenförmiger Aufstieg überbrückt den Weg zwischen den letzten beiden Ebenen und führt diesmal in ca. 7 Metern Höhe im Inneren des Turms bis zur Aussichtsplattform. Dort wartet eine weitere Besonderheit des Turms auf die Besucher:innen.

Zwei engmaschige Netze, die am äußersten Rand der Plattform zu finden sind, bieten denen, die sich trauen auf das Netz zu treten, einen Blick 52 Meter in die Tiefe. Alle Seilkreuzungspunkte der Flächennetze sowie die Tunnel der Berliner Seilfabrik werden mit Kugelknoten aus Aluminium verpresst. Für eine neue Ausführung wurde ein internationales Patent erteilt. Das Verpressen jedes einzelnen Kugelknotens ist ein präziser mehrstufiger Prozess, der ein sicheres Fixieren der Kreuzungsposition sowie eine sehr hohe Festigkeit gegen Verrutschen garantiert. Außerdem hält dieses Verfahren jeder Temperatur stand und ist sicher gegen Vandalismusversuche. Das Betreten der beiden 6 mal 3 Meter großen Netze ist also sehr sicher, was im Angesicht der Höhe bei dem einen oder anderen allerdings auch in den Hintergrund geraten kann. So erging es auch dem geschäftsführenden Gesellschafter der Berliner Seilfabrik David Köhler bei seinem Besuch des Waldturms: „Obwohl ich weiß, dass unsere Netze auf mehrere Tonnen Nutzerlast ausgelegt sind, war der Schritt auf das Netz eine echte Überwindung. Ich bin im Nachhinein froh, dass ich es doch gewagt habe. Die schwindelerregende Höhe und die Aussicht waren eine tolle Erfahrung.“